Denkblockaden mit dem Walt-Disney-Modell überwinden
Viele kennen das sicher aus ihrem eigenen Berufsalltag: Meetings laufen völlig uninspiriert und ohne Ergebnis ab – ein wahres Trauerspiel. Das kann zum Einen an uninspirierten und uneffektiven Menschen liegen, die dem Trauerspiel beiwohnen oder aber – und das scheint wahrscheinlicher – an der Zusammensetzung des Teams. Leider ist das heute nach wie vor die Hauptursache für gescheiterte Meetings. Daher gibt es mittlerweile eine Vielzahl von Modellen und Methoden, diese strukturellen Defizite auszugleichen.
Eines dieser Methoden stellt das Walt-Disney-Modell dar. Wie einige andere Ansätze auch, baut das Walt-Disney-Modell auf unterschiedlichen Rollen innerhalb einer Gruppe auf. Die Wissenschaft ist sich heute weitgehend darüber einig, dass Teams umso kreativer zusammenarbeiten, je ungleicher (heterogener) sie insgesamt zusammengesetzt sind. Zwar sind homogene Teams, in denen alle ähnlich ticken, gleicher Meinung sind und alle ähnliche Talente mitbringen, weitaus harmonischer in ihrer Zusammenarbeit, aber etwas wirklich Neues oder Innovatives bringen solche Teams nur selten hervor.
Werden Teams jedoch aus unterschiedlich geprägten Menschen, mit unterschiedlichen Erfahrungen, Fähigkeiten, Stärken und Schwächen, die alle durchaus durchschnittlich ausgeprägt sein können, zusammengesetzt, schlagen sie homogene Teams in Sachen Innovationskraft um Längen.
Das Walt-Disney-Modell
Das Walt-Disney-Modell geht auf den Schöpfer von Mickey Maus, Donald, Goofy und Co. zurück: Walter „Walt“ Elias Disney. Der Filmproduzent entwickelte – zunächst nur für sich allein – eine Methode, um mögliche Denkblockaden aufzuweichen und seiner Kreativität maximalen Raum zu geben. Den Durchbruch dieser Methode und deren weltweiten Einsatz ist Robert Dilts zu verdanken, einem der Mitbegründer und Weiterentwickler des neurolinguistischen Programmierens (NLP). Er untersuchte diese Methode und machte sie für jedermann zugänglich. Die Quintessenz des Modells besteht darin, dass Kreativität aus dem Zusammenwirken von drei Typen entsteht:
Der Träumer:
In der Position des Träumers nutzen wir unsere rechte Gehirnhälfte. Träumer denken vor allem im visuellen Bereich durch Bilder, oft chaotisch und visionär. Er lässt sich bei seinen Ideen und Visionen nicht von (logischen) Regeln oder Traditionen einschränken. Er wagt den berühmten Blick über den Tellerrand und schaut noch viel weiter hinaus.
Der Realist:
Sie konzentrieren sich auf die Umsetzung der Idee und auf das Machbare. Realisten zeigen sehr viel guten Willen, in dem sie danach fragen, was es braucht, um die Ideen und Visionen des Träumers umzusetzen. Was würde die Umsetzung kosten? In welchen Schritten und in welcher Reihenfolge müssten diese unternommen werden? Durchläuft man das Walt-Disney-Modell als Einzelperson oder als Gruppe ist es unbedingt notwendig, zuerst den Realisten und dann den Kritiker anzuhören, damit die Visionen des Träumers eine Chance bekommen und ihr Potenzial unter Beweis zu stellen.
(Anmerkung: Im Business-Kontext spricht man heute eher vom „Macher“ als vom Realisten, denn im Sprachverständnis vieler Menschen sind nämlich Kritiker beinharte Realisten. Für Gruppen, Teams und Organisationen sind Realisten/Macher unbedingt notwendig, um Projekte voranzutreiben.)
Der Kritiker:
Der Kritiker stellt konstruktive (!) Fragen. Er prüft, analysiert und verbessert die bisherigen Ergebnisse. Anschließend wird der Prozess wiederholt. Das heißt, der Kritiker übergibt seine Lösungen an den Träumer, der daraufhin die Ideen weiter- oder ganz neu entwickelt, welche anschließend vom Realisten wieder auf ihre Umsetzung hin überprüft werden usw.
Erst wenn es für den Kritiker keine Fragen mehr gibt, der Realist von der Umsetzung dem Gelingen des Projektes überzeugt und der Träumer von dessen Strahlkraft begeistert ist, wird der Prozess in der Regel mit einem optimalen Ergebnis abgeschlossen. Das Walt-Disney-Modell ist fester Bestandteil der NLP Pracititioner Ausbildung bei diedenkweisen. Ähnliche Phasen und Prozesse werden auch bei Teamtrainings beispielsweise mit dem Myers-Briggs-Typenindikator (MBTI) oder dem Team-Management-Prozess (TMS) durchlaufen.
Die Legende besagt, dass Walt Disney seinen Erfolg diesem Modell verdankte. Jeder dieser Positionen widmete er in seinem Büro drei Sessel. Auf diese setzte er sich abwechselnd wenn er träumen, planen und verbessern wollte. Später wurden im Unternehmen spezielle Räume für diese drei Phasen geschaffen. Der Erfolg von Walt Disney ist jedenfalls unbestritten, auch wenn am Anfang niemand so recht daran glauben wollte.
Übertragung in die Praxis
Leider kommt es höchst selten vor, dass Gruppen und Teams aus genau solchen Personen zusammengesetzt sind. Nach wie vor sind Teams relativ homogen zusammengestellt. Die Zusammensetzung von Gruppen und Teams richtet sich im Berufsalltag oftmals danach, wer gerade verfügbar ist, nach der fachlichen Kompetenz der Mitglieder und/oder nach der Hierarchie. Allerdings ist jeder in der Lage, in gewissem Maße jede dieser Rollen auszufüllen. Es gibt sicherlich Präferenzen für eine bevorzugte Rolle, doch wenn sich die Mitglieder einig und gewillt sind, kann das Walt-Disney-Modell auch unter Anleitung eines Moderators sehr erfolgreich durchgeführt werden.
Was das Modell allerdings nicht berücksichtigt, sind beispielsweise Konkurrenzstreben, Sympathien und Aversionen zwischen den verschiedenen Teammitgliedern. So etwas kann die Arbeit in Gruppen und Teams erheblich stören.
Der Nutzen von Kreativitätstechniken und ‑modellen wie dem Walt-Disney-Modell ist jedoch unbestritten. Sie schärfen unsere Selbstwahrnehmung und sensibilisieren uns wahrzunehmen, welche Rollen im Team besetzt sind und welche jedem persönlich am besten entspricht. So lernt jedes Teammitglied seine optimale Funktion in einer Gruppe kennen. Dadurch kann es gezielt mit seinen Stärken die Defizite der gesamten Gruppe ausgleichen.
Je kleiner die Diskrepanz zwischen Eigen- und Fremdwahrnehmung der einzelnen Teammitglieder ausfällt, desto weiter sinkt die Wahrscheinlichkeit für ein Versagen des Teams.